Steffen aus Berlin / "Berliner Speisemeisterei"
Heute: Steffen aus Berlin
Blog: "Berliner Speisemeisterei"
http://steffensinzinger.de/blog/
• Stell’ dich doch einmal kurz mit Namen, Alter, Wohnort, Beruf und Hobbys vor!
> Ich bin Steffen Sinzinger, 33 Jahre alt und wohne in Berlin. Mein Beruf ist Koch und ich spiele freizeitlich viel zu wenig Badminton und Squash, gebe das aber stets als Hobby an. Lese ständig alles was mit der Speisenbereitung an sich zu tun hat und kann kochtechnisch einfach nicht abschalten.
• Was unterscheidet deinen Blog von den Anderen?
> Aufgrund meines Berufs, ist natürlich auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Kochen eine ganz andere als beim klassischen Foodblog. Auch zähle ich mich zur männlichen Minderheit, die ja in dieser Sparte der Blogs sowieso viel zu knapp vertreten ist.
Die Seiten der Berliner Speisemeisterei behandelten am Anfang wirklich nur die eigenen Rezeptideen, entwickelte sich das Ganze aber nun mehr und mehr zu einem Magazin mit einem breit aufgestellten Themengebiet. Schlichtes Rezepteveröffentlichen war mir dann doch zu wenig, da wie ich finde, diese Art zu schreiben mir zu einseitig ist. So fügte ich immer mal wieder neue Kategorien, die nun feste Größen geworden sind, hinzu. Darunter fällt das Rezensieren von Kochbüchern genauso wie die Vorstellung von Größen aus der Gastronomieszene über meine Interview- Reihe namens „12 Food Art Questions“, bei der ich so viele fantastische Menschen, welche in der Food- Szene einen echten Mehrwert darstellen, vorgestellt habe. Das macht mir großen Spaß. Auch versuche ich die verschiedenen Trends der heutigen hochtechnisierten Küche zu entmystifizieren, indem ich aktuelle Gerichte von professionellen Köchen über die Serie „Signature Dishes“ in ihre einzelnen Komponenten zerlege. So kommt man dann dem Sinn hinter dem einen der anderen Gang schon sehr viel näher. Im Großen und Ganzen ist es mir stets wichtig, mich weiterzuentwickeln. Der Blog ist auch ein gutes Ventil dafür, diesen Werdegang festzuhalten und zudem Interessierten zugänglich zu machen. Das führt dazu, dass ich zum großen Teil auch eine Leserschaft aus dem professionellen Bereich habe. Viele gelernte Köche habe ich schon über den Blog kennen gelernt und immer mehr lesen auch diesen Blog, da es auf diese Art, meines Wissens nach, auch keinen zweiten in der deutschsprachigen Bloggerszene gibt.
Ich höre außerdem immer wieder, dass mein Blog sehr sachlich ist und man sofort merkt, dass da ein Kerl hinter den Zeilen steckt. Das mag sein, hat mit Sicherheit auch etwas damit zu tun, dass ich jetzt nicht einer dieser Schreiber bin, die z.B. den Beginn der Rhabarbersaison mit Adjektiven wie „himmelhochjauchzend“ oder „wildherumkreisch“ ausschmücke. Dafür ist mir das Thema Kochen dann doch zu sehr Handwerk, was nicht heißt, dass ich mich über so etwas nicht freu.
• Was hat dich dazu motiviert, einen Blog zu starten?
Und warum überhaupt ein Foodblog? Das liegt zum einen an einen Film, welchen ich vor vier Jahren gesehen hatte. Er heißt „Julie & Julia“ und dürfte den meisten Bloggern ein Begriff sein, geht es doch im Kern ums Bloggen. Ihre Herangehensweise hat mich sehr fasziniert und einen Tag später habe ich auch meinen Blog gestartet. Anfangs war es ja noch ein Foodblog, aber gehe ich mehr und mehr vom Ursprünglichen des Foodblogs weg, da mir auch die Form, welche so im deutschsprachigen Raum gelebt wird, nicht mehr gefällt. Ich habe auch aufgehört, mich selbst als Foodblogger zu bezeichnen. Die „Berliner Speisemeisterei“ ist einfach mehr als ein Tagebuch über Rezepte, das ist jetzt aber nicht als Wertung zu verstehen.
• Wer oder was hat in dir die Leidenschaft für das Kochen/Backen geweckt?
> Das ist so glasklar gar nicht zu definieren. Ein aktives Helfen bei meiner Mutter war früher immer selbstverständlich und der Umgang mit den Lebensmitteln fiel mir schon immer recht leicht. Ich habe deswegen entschieden den Beruf eines Kochs zu erlernen, muss aber sagen, dass ich das nicht noch einmal so machen würde. Im privaten Umfeld koche ich wahnsinnig gerne, aber ich denke, dass der Beruf nicht ausreichend für die Opfer entlohnt wird, die man ein Leben lang aufbringt.
• Büro, Café, vom heimischen Sofa oder direkt aus der Küche – von wo aus bloggst du?
> Kochen logischerweise in der Küche, das Schreiben erledige ich dann auf dem IPad und Korrekturlesen auf dem Papier, Nachbearbeitung der Fotos und der Texte wiederum auf dem PC im Büro. Also eigentlich überall. Manchmal sogar im Garten.
• Gibt es Lebensmittel, mit denen man dich jagen kann?
> Geleebananen und Dominosteine, pfui!
• Und auf der anderen Seite: Gibt es Lebensmittel,
> die du am liebsten überall verwenden würdest? Albatrüffel, … dieser Duft!
• Welches Land ist deiner Meinung nach eine kulinarische Reise wert?
> Ich glaube, als aufgeschlossener Essverrückter muss man so viele Länder wie möglich bereisen. Da beneide ich Anthony Bourdain, der das ja beruflich macht.
• Hast du irgendeine Macke, die besonders beim Kochen/Backen deutlich wird?
> Der absolute Hang stets und ständig die Teller verbessern zu wollen. Ich mag es nicht, wenn man sagt, dass Gericht ist so fertig, das kann man nicht mehr besser machen. Es gibt immer etwas zu schrauben.
Menschen in meinem Küchenumfeld werden gerne mal strikt angeleitet, dabei achte ich auch immer sehr genau auf die Ausführung. Ich hasse Kompromisse, die Verwässern das Konzept und sorgen dabei für Beliebigkeit, das ist schädlich.
• Auf was kannst du beim Werken in der Küche so gar nicht verzichten?
> Ailine von aicuisine.com würde jetzt wahrscheinlich die Pinzette nennen. Das wichtige unersetzbare Tool gibt es bei mir nicht. Viele Dinge sind beim Anrichten wichtig aber auch beim Kochen. Schränken wir es also auf zehn ein: Pinzette (), kleine Palette, Sous Vide Garer, Mixstab, Pacojet, Dörrautomat, Kitchen Aid, Thermomix, Spritzflasche, Hering Porzellan + Zusatzgerät namens Induktionsherd
• Was ist deine Inspirationsquelle? Und wo befindet sie sich?
> Alles kann mich inspirieren. Meistens sind es die schönen Dinge, die Emotionen hervorrufen, welche man allzu gerne mit dem einen oder anderen Gericht reproduzieren möchte. Teilweise kann es auch eine einfache Farbe sein, die man auf verschiedene Arten in einem Gang durch dekliniert. Man kann das oft so gar nicht exakt bestimmen. Es gibt selten nur einen Ursprungsgedanke, da man als Koch durch das Internet, die Zeitschriften und Kochbücher hier und da mit tollen Eingebungen geimpft wird.
• Ganz unter uns: Wie sieht es bei dir in der Küche nach deinem Experimentieren aus?
> Klar und strukturiert. Möchte ich das Ergebnis reproduzieren, kann ich das teilweise gar nicht, wenn ich in einem unorganisierten Chaos arbeiten und dabei zu viele Fehlerquellen verursache.
Wenn ich fertig bin mit dem Kochen bin, ist noch vor dem Essen alles wieder aufgeräumt. Ich könnte die Ergebnisse niemals in einem Saustall genießen.
• Welches Hilfsmittel aus deiner Küche begleitet dich seit deinem Blogdebüt
und wird wahrscheinlich nie ausgetauscht?
> Das kann ich gar nicht so genau sagen. Das einzige Werkzeug, welches noch nicht ausgetauscht wurde, ist meine Kamera. Es ist eine Sony a100 und wahrlich kein tolles Gerät. Dem muss unbedingt ein Update unterzogen werden.
• Hand auf ’s Herz: Sehen deine Gerichte immer so perfekt aus oder geht auch mal etwas schief?
> Nein, bei mir geht nichts schief. Und wenn ja, bin ich sehr geübt darin, dass dem Bekochten nicht bemerken zu lassen.
• Folgst du dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ oder ist für dich das Verkosten am Ende das Wichtigste?
> Also ich koche ja zu Hause und auch im Privaten nicht aus Jux und Dallerei, da soll am Ende schon etwas Sinnvolles heraus kommen. Insofern arbeite ich absolut ergebnisorientiert.
• Gute Gerichte und Lebensmittel verlieren zunehmend an Wert. Woran liegt das und was kann bzw. sollte man dagegen tun?
> Das kann ich gar nicht bestätigen. Die Lebensmittel werden zusehends teurer. Fisch wird in mittelfristiger Zukunft kein alltägliches Produkt mehr sein, das wird man nur noch ein zwei Mal pro Woche haben können. Auch die anderen Lebensmittel, gerade auch Molkereiprodukte, ziehen im Preis stark an, so dass ich arge Schwierigkeiten habe, der Theorie zu folgen. Die Wertschätzung an bestimmte Produktgruppen hat enorm gelitten, dem stimme ich zu. Was man dagegen tun kann, ist dem interessierten Bürger mit dem Sensibilisieren dieses Themas zu begegnen. Ich kann aber dem nichts abgewinnen, stets und ständig bei jedem Essenskonsum die Moralkeule zu schwingen.
• Wie privat ist dein Blog? Was gehört für dich ins Internet und was nicht?
> Mein Blog behandelt natürlich meine Affinität zum Essen und das vorherige Verarbeiten. Private Dinge lasse ich da ab und zu in sehr geringen Dosen einfließen, ganz vermeiden lässt sich das nicht. Aber das hat auch Grenzen.
Ich finde, es gehört in Foodblogs keine Schleichwerbung hinein. Das ist ein Trend, der so dermaßen überhandgenommen hat, dass ich große Probleme habe, viele große Blogger überhaupt noch ernst zu nehmen, da auf selbstverständliche Art und Weise Produktwerbung betrieben wird, ohne das kenntlich zu machen. Ich selbst werbe auch für verschiedene Produkte, da kann ich mir auch gerne mal die eine oder andere Mark dazu verdienen, insofern kann ich da den Nutzen gut verstehen. Das muss aber kommuniziert werden, welche Interessen da vertreten werden. Heute den Standmixer hier und morgen den ESGE- Zauberstab dort schamlos und als journalistischen Beitrag getarnt an den Mann zu bringen, halte ich für absolut falsch und auch verwerflich.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht auch einmal ein lukratives Projekt für Abmahnanwälte sein könnte. Es wird da sicherlich ein gewisser Punkt überschritten werden, der das Fass zum überlaufen bringt.
Auch werden hier und da nichtssagende Dreizeiler als Kochbuchrezensionen geadelt. Wer Kritisieren will, muss Vergleichen können. Und wer vergleichen will, braucht Referenzen. Ich bin absolut für Pluralität im Internet, aber ich denke schon, dass es ein gewisses Maß an Fachwissen benötigt, um Literatur entsprechender Thematik zu kritisieren. Das kann und sollte meiner Meinung nach ohne diesen Background nicht als Buchkritik verkauft werden. Eine Buchempfehlung ist da wieder was ganz anderes,
Sympathiebekundungen solcher Art sind da vollkommen in Ordnung.
• Hast du dein Smartphone oder deinen Laptop rund um die Uhr parat oder gibt es Zeiten, in denen du offline bist und es auch bleibst?
> Das sollte ich mal ausprobieren, obwohl ich immer etwas allergisch gegen diese Verteufelung reagiere. Ich versuche das aber bewusst zu steuern.
• Wie wichtig ist dir die Anzahl deiner Leser?
> Ich denke da geht es mir so wie fast allen. Ich will natürlich wissen, wie oft ich gelesen werde, welche Artikel funktionieren und was nicht. Ich schaue nicht mehr so oft wie früher nach, aber einmal die Woche prüfe ich die Statistik schon.
• Bloggst du für dich oder für die Welt?
> Ich brauche diesen Blog als Ventil, da ansonsten diese ganzen Dinge sich im Kopf anstauen würden. Das würde zu einer Überhitzung führen und das tut keinem gut, wenn ich ein Hitzkopf bin.
• Welche deiner „Kollegen“ schätzt du am meisten?
> Diejenigen, welche ich am längsten begleitet habe. Da gibt es schon den einen oder anderen, den ich nun fast schon über ein Jahrzehnt beruflich immer wieder mal als Kollegen habe. Da weiß man dann blind, was der andere gerade von einem will.
• Ohne welche Musik kannst du nicht leben/kochen?
> Pearl Jam, aber beim Kochen läuft eigentlich nicht sehr oft Musik.
• Mit welchem Koch würdest du gerne mal ein Menü herrichten?
> Eine alte Kollegin aus vergangenen Zeiten im Restaurant „first floor“ müsste da herhalten.
• Welches Kochbuch würdest du nie aus der Hand geben?
> Auch hier gibt es nicht das eine. Aber folgende Titel sind jedem ans Herz gelegt, da für mich nahezu unverzichtbar: „Eleven Madison Park“ Daniel Humm, „Sven Elverfeld“ Sven Elverfeld, „Quay“ Peter Gilmore, „A Work in Progress“ René Redzepi.
• Wie groß ist deine Küche?
> Eine Küchenzeile, die über`s Eck geht und insgesamt 7 Meter lange und 70 cm tief ist. Dazu noch ein großer Familientisch und das war es dann schon auch. Platz ist aber wichtig.
• Was macht eine Foodbloggeschichte für dich lesenswert?
> Individualität, Authentizität, Integrität. Aus diesen Gründen lese ich selbst kaum noch Foodblogs.
• Und zu guter Letzt ein Klassiker: Wenn du die Zeit zurückspulen könntest,
was würdest du an deinem Leben (und vielleicht an deinem Blog) ändern?
> Nicht mehr Koch lernen, stattdessen studieren und später einen Job im Journalismus ausüben und prinzipiell mehr reisen.
> Foodblogs:
1. Aicuisine.com
2. Photisserie.de
3. Kraut|Kopf
> Kochbuch:
1. Alle meine Rezepte
2. Eleven Madison Park von Daniel Humm
3. „Sven Elverfeld“ von Sven Elverfeld
> Musikalbum:
1. Pearl Jam - VS
2. Pearl Jam - No Code
3. Best of the rest
> Kochutensilie:
1.Pinzette
2.Induktionsherd
3.Gescheites Messer
• Salz oder Pfeffer?
> Salz
• Bier oder Wein?
> Wein
• Süß oder Herzhaft?
> herzhaft
• Hauptgang oder Dessert?
> Hauptgang
• „Early Bird“ oder „Night Owl“?
> Night Owl
• Ordnungsfanatiker oder Dreckspatz?
> Erstes
• Kaffee oder Tee?
> KAFFEE
• Lieblings...:
> ...messer: Haiku Kurouchi
> ...gewürz: Tonkabohne
> ...koch: Gibt nicht den einen!
> ...kochzeit/tag: 11 Uhr
> ...rezept: Barigoulefond
Fotos © Berliner Speisemeisterei / http://steffensinzinger.de/blog/